Das erboste kamel
Ganz junge Kameele in ihrem mehr graubraunen Pelz sind lange nicht so hässlich als die alten Thiere mit weisslichen Haaren und mit dem kolossalen Hals. In der Brunstzeit wird das männliche Kameel gefürchtet, das dann sehr reizbare Their soll von der Verfolgung der Menschen, die aus irgend einem Grunde ihm hinderlich erscheinen, kaum abzubringen sein. Aber auch sonst ist das Kameel nicht frei von menschlichen Schwächen. Gerade als ich von Oliva kommend über den Sattel von Ampuyenta hinüberstieg nach Antigua, einem reicheren Orte von 1911 Einwohnern auf der östlichen Abdachung der Insel, war ich Zeuge eines eigenthümlichen Schauspieles. Das Vieh eines Gutes wurde zum Abend heimgetrieben. Ein behender Esel hatte sich an die Spitze des Zuges gestellt und liess sich den vorderen Platz durch keinen seiner Mitesel streitig machen. Plötzlich fühlt sich das Kameel, das dem Grase noch wacker zugesprochen hatte, dadurch verletzt, dass das kleine Langohr vorangeht; sein Brüllen scheucht das Rindvieh, die Maulthiere und Esel, in mächtigen Sätzen springt das Kameel an den übrigen Thieren vorbei zu dem vorwitzigen und unehrerbietigen Burro und versetzt diesem auf den Hinterbeinen stehend mit den vorderen tüchtige Ohrfeigen, dann nimmt es würdevoll den ihm gebührenden Platz eines Zugführers ein.
Karl von Fritsch, Reisebilder der Canarischen Inseln (1867)